Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Der Hintergrund: Förderung der Technik durch Bildung

Weltweites Vorbild des modernen technischen Hochschulwesens ist die École Polytechnique, die 1794 in Paris gegründet wurde. Die Gründung dieser Schule, eines militärisch organisierten Institutes mit mathematischer Orientierung, stand in Frankreich am Ende einer Reihe von Gründungen staatlicher Spezialschulen für den Straßen- und Brückenbau, den Bergbau, die Artillerie, die Marine etc. und war der Versuch, eine allgemeine technische Grundausbildung im Vorfeld dieser Fachschulen zu etablieren, mit deren Hilfe auch eine standardisierte Anbindung auf das allgemeine Grundschulwesen eingeleitet werden sollte. Dieser Entwicklung lag wiederum eine langsame Ausdifferenzierung des Ingenieurwesens zugrunde, das seit je her das Interesse der Herrschenden auf sich zog.

Der Begriff des "Ingenieurs" ist bereits für das Mittelalter belegt und geht wohl auf das lateinische "Ingenium" zurück. Dieses Wort konnte - neben Begabung und Talent - auch Kunst, Trick oder sogar Geschütz bedeuten. Die heute als "Künstler-Ingenieure" bekannten Techniker der Renaissance waren ja immer auch Militärtechniker, die deutschen Ingenieure des 17. und 18. Jahrhunderts waren dies ausschließlich. Personen, die sich mit dem zivilen Bauwesen beschäftigten, hießen damals Architekten.

Mit dem Ausbau der stehenden Heere vollzog sich im 18. Jahrhundert ausgehend von Frankreich eine Spezialisierung innerhalb des Militärs, der die Errichtung von Spezialschulen folgte. In all diesen Anstalten bestand der Unterricht aus einer Kombination von praktischer Ausbildung und gleichzeitiger Vermittlung elementarer wissenschaftlicher Grundlagen.

Auch im deutschsprachigen Raum entstanden im 18. Jahrhundert die ersten Ingenieurschulen und Bergakademien vor dem Hintergrund militärischer Bedürfnisse. Die Anstrengungen zur Gründung derartiger Schulen wurden im 19. Jahrhundert wesentlich intensiviert, weil man der Meinung war, den damals bestehenden technologischen Vorsprung Englands auf diese Weise aufholen zu können. England war ja das erste Land, in dem die Industrialisierung begonnen hatte, während in Kontinentaleuropa die Napoleonischen Kriege tobten.

Anders als in England selbst, wo die Industrialisierung wesentlich über organisatorische Reformen des Handwerks (Unternehmertum, Arbeitsteilung) und Innovationen im Maschinenbau (Dampfmaschine) angetrieben wurde und auf die Verbreitung dieses Wissens über Schulen eigentlich kein besonderer Wert gelegt wurde, glaubte und glaubt man in Kontinentaleuropa an den Primat der Bildung für den technischen Fortschritt.

In dieser kontinentaleuropäischen Denktradition stand auch Erzherzog Johann, der 1811 seine persönlichen umfangreichen naturwissenschaftlichen Sammlungen den steirischen Ständen schenkte, damit sie nützliche Verwendung zum Unterricht finden. Johann hatte damit eine andere Bildung im Auge als den damals üblichen tief in mittelalterlichen Traditionen stehenden Unterricht in lateinischer Sprache. Es sollte stattdessen das Wissen der Gegenwart durch Anwendung in der Praxis in besonderer Weise für das Wohl der Menschen nutzbar gemacht werden. Der im November 1812 gestartete Unterricht in deutscher Sprache lag so „quer“ zum gesamten damaligen Bildungssystem.

Wolfgang Wallner