Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Zweite Etappe: Fachschulen und Fachstudien, diplomierte Ingenieure

Beim Tod von Erzherzog Johann 1859 war der Unterricht am Joanneum de facto auf Hochschulniveau (Abschluss einer Realschule als Eintrittsbedingung für Studierende, Anerkennung der Zeugnisse als gleichwertig mit Hochschulzeugnissen, Einhaltung aller staatlichen Regelungen im Studienbetrieb), de jure erfolgte der Unterricht aber immer noch im Zusammenhang mit der 1811 erfolgten Stiftung an die steirischen Stände, also unter Beteiligung des Kuratoriums und nicht in der üblichen Form einer selbständigen Lehranstalt.

Eine Reorganisation auf dieser zentralen administrativen Ebene konnte erst nach dem Tod des Erzherzogs erfolgen, da dieser sich auf Lebenszeit die Oberhoheit über seine Stiftung ausbedungen hatte und diese erst mit seinem Ableben auf das Land Steiermark überging.

Nach umfangreichen Verhandlungen zur Reorganisation, die auch alle Bereiche des Unterrichts erfassten, erfolgte in mehreren Schritten die Trennung des Unterrichts vom Museum und seine Zusammenfassung in der „Technischen Hochschule am steiermärkisch-landschaftlichen Joanneum“.

Als erstes wurde am 30. Juni 1863 die Personalhoheit über die Professoren direkt auf den Landesausschuss übertragen. Am 25. April 1864 wurde vom Landesausschuss die innere Struktur der Lehranstalt in Form eines Statuts beschlossen, diese wurde vom Kaiser am 18. Oktober 1864 bestätigt, das Statut trat somit zu Beginn des Studienjahres 1865/66 in Kraft.

Die Technische Hochschule wurde damit unter direkte Aufsicht des Landesausschusses gestellt und so vom Kuratorium des Joanneums unabhängig. Die Leitung der Anstalt wurde einem eigenen Direktor übertragen. Die Sammlungen am Joanneum wurden geteilt in reine Lehrmittelsammlungen der Hochschule einerseits und in die am Joanneum verbleibenden historischen und naturhistorischen Sammlungen. Am Joanneum verblieben auch der botanische Garten und die Bibliothek.

Für die Organisation des Joanneums wurde ebenfalls die direkte Unterstellung unter den Landesausschuss und ein eigenes Statut beschlossen. Daraufhin erfolgte am 30. September 1868 mit kaiserlicher Genehmigung die Auflösung des Kuratoriums. Die Überführung von Johanns Stiftung in das Land Steiermark war damit abgeschlossen, ohne dass allerdings eine dauerhafte Organisationsform gefunden werden konnte.

Die organisatorische Neuordnung des Joanneums nach Johanns Tod wurde auch zur weiteren fachlichen Ausgestaltung genutzt. Die Zunahme des technischen Wissens hatte in Deutschland bereits in den 1830er Jahren (Reorganisation der Poytechnischen Schule Karlsruhe 1832) sowie vor allem in der Schweiz (1855 an der Eidgenössischen polytechnischen Schule Zürich) zu einer fachlichen Differenzierung der gemeinsamen Wissenschaft der Technik in einzelne technische Fachwissenschaften geführt. Dem entsprechend studierte man nicht mehr einfach „Technik“, sondern einzelne technische Fächer.

Diese Entwicklung wurde mit dem neuen Statut 1865 auch am Joanneum übernommen: Es wurden vier Fachschulen eingerichtet:

die den Beginn der noch heute bestehenden Studien des Bauingenieurwesens, der technischen Chemie und des Maschinenbaus darstellen.Zur Umsetzung wurden sechs neue Professuren genehmigt, und zwar:

1865 wurde zusätzlich eine Lehrkanzel für Baumechanik und Graphische Statik eingerichtet (sie hieß seit 1911 nur mehr Lehrkanzel für Baustatik), 1871 folgte eine Lehrkanzel für Freihandzeichnen (1906 umbenannt in Technisches Zeichnen und Freihandzeichnen).

Allerdings gab es 1865 noch keinen definierten „Studienabschluss“. Ein erster Versuch dazu war die im neuen Statut von 1865 vorgesehene Möglichkeit, für zusätzliche strenge Prüfungen am Ende des Studiums ein Diplom zu erhalten. Der „diplomierte Ingenieur“, den man auf diesem Weg erwerben konnte, wurde so 1867 zum ersten verliehenen Titel der Technischen Hochschule, insgesamt jedoch, da das Diplom zu nichts außer der Führung des Titels berechtigte, nicht angenommen – nur einzelne Studierende legten diese Prüfungen ab.

Der erste von ihnen, der erste „diplomierte Ingenieur“ der Technischen Hochschule Graz, war Franz Fleck, der am 22. Oktober 1867 als Absolvent der chemisch-technischen Schule sein Diplom erwarb (nachzulesen im Jahresbericht 1867/68).

Wolfgang Wallner