Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Zehnte Etappe: Eintritt in das neue Europa

1989 ging die weltpolitische Ordnung, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg bestanden hatte, zu Ende: Der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze folgte das Ende der (Ost-) Deutschen Demokratischen Republik, der Zerfall des Warschauer Paktes und der Sowjetunion. Durch die damit beendete politische Teilung Europas konnte eine neue Vision eines geeinten Europa realisiert werden. Österreich rückte vom östlichen Rand des Westens zurück in das Zentrum des Kontinents.

Der europäische Einigungsprozess der 1990er Jahre umfasste neben der geographischen Erweiterung aber auch vertiefte Integration. Sichtbarste Zeichen dafür waren die Einführung einer gemeinsamen Währung und der großräumige Abbau der Grenzen zwischen den meisten Ländern Europas. Der so entstandene größte Wirtschaftsraum der Welt sollte aber auch, vor allem gegenüber den USA, wettbewerbsfähig gemacht und damit in vielerlei Hinsicht, zum Beispiel auch in den nationalen Ausbildungssystemen, harmonisiert werden.

Mit dem Beitritt Österreichs zur gerade entstehenden "Europäischen Union" 1996 war daher im Österreichischen Hochschulrecht eine in der Geschichte beispiellose Reformwelle zu bewältigen, an deren Ende auch die Technische Universität Graz nur mehr bedingt mit den Gegebenheiten, wie sie davor bestanden haben, vergleichbar ist.

Die Einführung des Bachelor-/Master-Systems im Studienbereich führte zu einer nie dagewesenen Vielfalt an Studienangeboten. Die Abschaffung der Pragmatisierung der Professoren und wenig später auch der übrigen Universitätsbediensteten ermöglichte eine deutlich dynamischere Berufungspolitik und Personalplanung. Die volle Teilnahme an den Forschungs-Rahmenprogrammen der Europäischen Union führte zu einer dramatischen Steigerung der internationalen Vernetzung der technischen Forschung. Die weitgehende Deregulierung durch das Organisationsgesetz 2002 ermöglichte in wesentlichen wissenschaftlichen Bereichen ein ganz neues Profil – die TU Graz hat seither 7 Fakultäten und etwas über 100 Institute – und bedeutete auch eine völlige Neustrukturierung der zentralen Universitätsverwaltung.

Zusätzlich zu diesen übergeordneten Entwicklungen fand eine Reihe von TU Graz-spezifischen Veränderungen statt. Die teilweise Rückkehr des Austro-Kanadiers Frank Stronach in seine steirische Heimat führte zur Gründung des Frank-Stronach-Institutes, der bis dahin größten Private-Public-Partnerschaft in der Geschichte der TU Graz. Die Intensivierung der Industriekooperationen insgesamt führte zu einem starken Anstieg der Einnahmen aus sogenannten „Drittmitteln“, also außerhalb der staatlichen Dotierung, wodurch aber wiederum ein richtiggehender Bau-Boom insbesondere am Campus Inffeld ausgelöst wurde, um die zusätzlich erforderlichen Labor- und Bürokapazitäten zu schaffen.

Im Bereich der Naturwissenschaften wurde eine österreichweit beispielgebende Kooperation mit der Karl- Franzens-Universität unter dem Namen „NAWI Graz“ aufgebaut, mit gemeinsamen Studien, gegenseitiger Absprache bei Berufungen und Infrastruktur-Investitionen. Trotzdem wurde an der TU Graz zum dritten Mal in ihrer Geschichte ein völlig neues Chemie-Gebäude errichtet, mit dem auch architektonisch der Campus „Neue Technik“ gegenüber seiner früheren Ausstrahlung ein urbanes Flair erhalten hat.

Viele weitere Neuerungen wie die Einführung neuer Studien auch auf Bachelor-Ebene (am erfolgreichsten: Biomedical Engineering) sowie im Doktoratsbereich (Doctoral Schools), der Aufbau eines europaweit prämierten Campus-Informationssystemes („TUGraz.online“), die Neueinrichtung zahlreicher Stabsstellen und Servicebereiche (Patentservice, Forschungsservice, Qualitätssicherung, Life Long Learning, Pressestelle, alumni- Beziehungen etc.), die besonders erfolgreiche Beteiligung der TU Graz am Kompetenzzentren-Programm der österreichischen Bundesregierung, der Abschluss zahlreicher internationaler Universitätspartnerschaften etc. etc. haben aus der „Technik in Graz“ eine nicht nur österreichweit bestens bewertete, moderne, zukunftsfähige Technische Universität gemacht, die im Jahr 2011 in ihr drittes Jahrhundert eintrat.

Mit dem endgültigen Auslaufen der letzten „Diplomstudien“ 2014 knapp vor dem 150sten Jahrestag  der Einrichtung der ersten Fachstudien 1865 ist ein knapp 20jähriger Integrationsprozess in die europäische Universitätslandschaft abgeschlossen.

Wolfgang Wallner