Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

Finden Sie eine Kurzinformation zu folgenden Epochen:

Dritte Etappe: Verstaatlichung und Einführung von Staatsprüfungen

Auslöser dieser Entwicklung waren die politischen Ereignisse von 1866/67: Der Besetzung Holsteins durch preußische Truppen folgte der von Österreich erwirkte Beschluss zum Ausschluss Preußens aus dem Deutschen Bund, dies führte zum deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich, der in der Schlacht bei Königgrätz am 3.7.1866 mit der Niederlage Österreichs endete. Damit schied nun Österreich aus dem Deutschen Bund aus, was die ungarischen Stände veranlasste, volle Gleichberechtigung mit der deutschen Bevölkerung im Habsburgerreich zu fordern. Es entstand über den sogenannten „Ausgleich“ mit Ungarn die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, was zu einem grundsätzlichen Umbau des Staates in den verschiedensten Bereichen führte, unter anderem zu einer Einsetzung konstitutioneller Regierungen in beiden Reichshälften. In der so entstandenen österreichischen Reichshälfte dominierten als politische Kraft die Deutsch-Liberalen. Sie vertraten vor allem die Industrie, den Handel und die Finanzwelt und hatten unter anderem die Auffassung, dass der Krieg mit Preußen vor allem aufgrund der schlechteren schulischen Ausbildung der österreichischen Soldaten verloren worden war. Als unter liberalem Einfluss 1867 die sogenannte „Dezemberverfassung“ beschlossen wurde, enthielt diese daher den Passus, dass die Gesetzgebung über die technischen Lehranstalten zwar weiterhin den Landtagen obliegt, diese jedoch zugunsten des Reichsrates darauf verzichten konnten – man war der Meinung, dass eine Zentralisierung und gemeinsame Steuerung die technische Ausbildung in Zukunft verbessern könnte.

Das Land „Österreich unter der Enns“ (= Niederösterreich mit Wien, zuständig für das Wiener Polytechnikum) machte von dieser Möglichkeit sofort Gebrauch. Das Land Steiermark folgte 1872, stellte aber die Bedingung, dass mit der Abgabe des Gesetzgebungsrechtes auch die Übernahme der Technischen Hochschule Graz in die staatliche Verwaltung (und damit insbesondere auch die Übernahme der Kosten durch den Staat) erfolgen müsse. Ein wesentlicher Grund dafür war die Zusammensetzung der Studierenden: Zwei Drittel der Hörer kamen zu dieser Zeit nicht aus der Steiermark.

Mit 1.1.1874 wurde die Umwandlung in eine staatliche Lehranstalt (k.k. Technische Hochschule Graz) vollzogen, ausgenommen blieb nur die land- und forstwirtschaftliche Abteilung, für die nach der Gründung der Hochschule für Bodenkultur in Wien 1872 seitens des Staates kein Interesse bestand. (Hintergrund dieser Gründung war ähnlich wie schon bei der Gründung der Montanistischen Lehranstalt Leoben, dass die oberste Ausbildungsstätte des landwirtschaftlichen Unterrichts nun in der ungarischen Reichshälfte lag.)

Im Bereich der Studien ging 1878 mit der Einführung der „Staatsprüfungen“ an den Technischen Hochschulen nach dem Vorbild der juristischen Studienordnung ein jahrzehntelanger Entwicklungsprozess zu Ende.

Bereits 1844 war für das Joanneum die Einführung strenger Abschlussprüfungen vorgeschlagen worden, was jedoch von der Wiener Studienhofkommission mangels bestehender Vorbilder an anderen Standorten der Monarchie abgelehnt wurde.

Mit der Einführung der Lehr- und Lernfreiheit im Gefolge der Revolution von 1848 verband man dann umgekehrt die Auffassung, dass jetzt auch keinerlei Prüfungszwang mehr für die Studierenden besteht. Es wurden nur mehr „Frequentationszeugnisse“ (= Teilnahmebestätigungen) ausgestellt, die aber wiederum für die Absolventen wertlos waren, weil sie bei den staatlichen Behörden nicht als zureichender Nachweis erworbener Kenntnisse bei der Stellenvergabe anerkannt waren.

Nach einer Zwischenphase, in der bei der Aufnahme in den Staatsdienst Jahreszeugnisse für die einzelnen absolvierten Studienjahre verlangt wurden, erfolgte eine abschließende Regelung dieser Frage mit der Einführung der ersten und zweiten Staatsprüfung 1878. Damit war die Standardisierung eines „abgeschlossenen Studiums“ an den Technischen Hochschulen erreicht.

Die Staatsprüfungen (mit akademischen und staatlichen Prüfern) wurden erst in den Jahren ab 1970 bis 1997 langsam durch die (rein akademischen) Diplomprüfungen ersetzt.

Wolfgang Wallner