Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Gründungssituation 1:
Erzherzog Johann von Österreich und die Folgen der Französischen Revolution

Johann Baptist Josef Fabian Sebastian war Mitglied des österreichischen Herrscherhauses Habsburg-Lothringen. Als er am 20. Jänner 1782 geboren wurde, war seine Großmutter Maria Theresia vor 2 Jahren verstorben und sein Onkel Joseph regierte in Wien als Kaiser Joseph II das Heilige Römische Reich deutscher Nation.

Johann verbrachte seine Kindheit in seiner Geburtsstadt Florenz als Sohn des Großherzogs der Toskana. Die Toskana war nach dem Aussterben der Medici 1737 erfolgreich als altes Lehen des römisch-deutschen Kaisers von den Habsburgern beansprucht worden. Johanns Vater Leopold war der erste Angehörige des Herrscherhauses, der die Regierungsgeschäfte „vor Ort“ wahrnahm. Er wollte die Toskana, die sich seit den letzten Herrschern der Medici in einer Phase der Stagnation befand, durch eine der Aufklärung verpflichtete Politik zu einem modernen Musterstaat machen – für Johann wohl eine frühe Prägung und eine der Grundlagen für sein späteres Wirken.

1790, Johann war 8 Jahre alt, übersiedelte die Familie nach Wien, da Leopold als Nachfolger seines Bruders Joseph Kaiser wurde. Bereits 2 Jahre später starb Leopold und Johanns ältester Bruder Franz wurde nunmehr für die nächsten 43 Jahre Kaiser und Familienoberhaupt.

Franz’ Regentschaft stand zunächst im Zeichen der Französischen Revolution – in seinem zweiten Regierungsjahr wurde seine Tante Marie Antoinette als Frau des abgesetzten französischen Königs Ludwig XVI. zusammen mit diesem in Paris von den Revolutionären hingerichtet.

Es war nicht nur wegen dieses einmaligen Ereignisses das erklärte Ziel der europäischen Mächte, die Revolution in Frankreich in ihren Wirkungen einzudämmen bzw. überhaupt rückgängig zu machen.

In diesem politischen Umfeld war es selbstverständlich, dass der 10jährige Johann in Wien die bestmögliche militärische Erziehung erhielt, umso mehr, als ab 1793 in mehreren Wellen große Kriege den Kontinent heimsuchten.

Seine Erziehung war u.a. geprägt von folgenden Ideen:

Erzherzog Johann von Österreich im Alter von etwa 18 Jahren

  • Der Krieg wird durch die Fortschritte im Ingenieurwesen immer mehr von einem Festungskrieg zu einem Volkskrieg – er kann daher letztlich auch nur vom Volk gewonnen werden.
  • Das Volk kann durch Bildung in seiner Entwicklung und damit auch in seiner Widerstandskraft gegen den Feind unterstützt werden.
  • Der Herrscher kann diese Entwicklung fördern, indem er alles Wissen über das Land, in dem das Volk lebt, sammelt und dieses Wissen zur Volksbildung zur Verfügung stellt.

Das Sammeln von „Naturalien“ resultierend aus einem starken Interesse an der Natur war auch Teil der Familientradition: Johanns Großvater Franz Stephan von Lothringen hatte 1748 die damals in Europa einzigartige 30.000 Objekte umfassende Mineralien- und Fossiliensammlung des Florentiner Gelehrten Johann Ritter von Baillou erworben – den Grundstock des heutigen Wiener Naturhistorischen Museums, damals Naturaliensammlung bzw. vereinigte k.k. Naturalien-Cabinete genannt. Vater Leopold war ebenfalls sehr an Naturwissenschaften (und Technik) interessiert, Bruder Franz förderte den Ausbau des Wiener Naturalienkabinetts zu einer der wichtigsten Forschungsstätten Europas. – Johanns Aktivitäten waren in dieser Hinsicht also keine Ausnahme.

1800, im Alter von 18 Jahren, wurde Johann zum Armeekommandanten ernannt. Bereits bei seiner ersten Bereisung Tirols aus diesem Anlass wurde er von der Innsbrucker Universität, die sich dadurch Chancen auf eine Unterstützung für ihre eigene Entwicklung ausrechnete, zum „immerwährenden Rektor“ ernannt. Die Universität Innsbruck wurde jedoch 1810 aufgelöst. Verantwortlich dafür war der Frankreich-freundliche König von Bayern, an den Kaiser Franz 1805 nach einem verlorenen Krieg gegen Napoleon ganz Tirol abgeben hatte müssen.

Die Niederlage von 1805 bedeutete auch das Ende des über 800 Jahre alten Heiligen Römischen Reiches – um zu vermeiden, dass Napoleon die Kaiserkrone zufiel, löste Franz das Reich einfach auf. Die Habsburger konzentrierten sich seit diesem Zeitpunkt als Kaiser von Österreich auf ihre eigenen, weiter östlich gelegenen Reichsgebiete. Für Erzherzog Johann rückte damit die Steiermark ins Blickfeld.

Wolfgang Wallner