Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Sechste Etappe: Von Krieg zu Krieg oder: Vom Ingenieur zum Diplomingenieur

Der Erste Weltkrieg brachte zwar den Unterricht an der Technischen Hochschule beinahe zum Erliegen - zur zeitweisen Einquartierung des Militärs im Hauptgebäude kam die Einberufung der meisten Studierenden zum Kriegsdienst - als der erste „industriell“ geführte große Krieg machte er aber gleichzeitig die neue Bedeutung der Technik in der modernen Welt deutlich.

Kaiser Karl stellte daher 1917 den Titel „Ingenieur“, den bis dahin in Österreich jedermann tragen durfte, unter Schutz. Nur mehr die technischen Hochschulen und bestimmte militärische Einrichtungen durften diesen Titel ihren Absolventen verleihen.

Mit dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie 1918 verlor die Technische Hochschule ihr traditionelles „Hinterland“, das weit über den Südosten der Monarchie hinaus gestrahlt hatte. Während die Bürger die Lebensfähigkeit von „Rest-Österreich“ massiv bezweifelten, wurde „antizyklisch“ in den Ausbau der Technischen Hochschule investiert.

Die Bauarbeiten an der „Neuen Technik“ in der Kopernikusgasse starteten 1920, konnten jedoch wegen Inflation und Weltwirtschaftskrise erst Mitte der 1930er Jahre abgeschlossen werden. Dafür war das Gebäude mit modernen maschinentechnischen Labors und mit einem Turnsaal für den Universitätssport ausgestattet.

Bald nach der Ausrufung der Republik wurde das Tragen von Adelsprädikaten abgeschafft und das Studium an den Hochschulen für Frauen geöffnet. Die ersten weiblichen Diplom-Ingenieure und Doktoren verließen die TH Graz Mitte der 1920er Jahre.

Das Studium des Vermessungswesens wurde als Vollstudium eingerichtet, die Studienpläne der bestehenden Studienrichtungen wurden modernisiert. Trotz der Errichtung des Gebäudes der „Neuen Technik“ gab es Raumnot. An der „Alten Technik“ wurde ein Hörsaal angebaut, im Dietrichsteinschen Stiftungshaus in der Schlögelgasse wurde 1929 zusätzlicher Platz für den Ausbau der technischen Biochemie geschaffen. Die Einrichtung eines Studiums der Elektrotechnik scheiterte aber 1930 im letzten Moment an der Finanzierung.

Die Machtergreifung Hitlers in Deutschland 1933 destabilisierte auch die Republik Österreich. Hitlers Partei wurde in Österreich verboten, hatte aber gerade unter Technikern viele Anhänger im Untergrund. Die österreichische Regierung reagierte auf die zunehmende Politisierung der Studierenden mit Notmaßnahmen, insbesondere einem Verbot bzw. einer strikten Kontrolle aller studentischen Vereinigungen.

Organisatorisch wurde über das Hochschul-Ermächtigungsgesetz alle Entscheidungsgewalt direkt dem Unterrichtsministerium übertragen. Dieses versuchte neben der politischen Kontrolle auch Effizienzsteigerungen zu erzwingen. In dieser Absicht wurde die Technische Hochschule 1935 nochmals für kurze Zeit mit der 1848 abgespaltenen Montanhochschule Leoben zur „Technisch-Montanistischen Hochschule Graz-Leoben“ mit insgesamt 6 Fakultäten vereinigt, jedoch mangels sichtbarer Erfolge und nach heftigem Protest der Professoren bereits 1937 wieder verselbständigt. Im Unterschied zur Situation vor 1935 blieb allerdings die Mathematik und Physik in einer eigenen „Fakultät für Angewandte Mathematik und Physik“ zusammengefasst, womit die Technische Hochschule nun 5 Fakultäten besaß.

Mit der Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich, die bis 1940 auch rechtlich abgeschlossen war, wurde u.a. das Deutsche Hochschulrecht in Österreich gültig. Sichtbarstes Zeichen für die Absolventen war, dass der Abschluss eines Studiums in den Ingenieurfächern ab nun mit der Verleihung des Titels „Diplomingenieur“ einher ging, eine Änderung, die auch nach dem Wiedererstehen Österreichs 1945 nicht mehr rückgängig gemacht wurde. (In der technischen Chemie wurde bis 1945 der Titel "Diplomchemiker (Dipl.-Chem.) verliehen, danach ebenfalls der Titel "Diplomingenieur".)

Wolfgang Wallner