Die Größen der Technik

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Karl Friedrich Schinkel

Der Brand in Neuruppin im Jahre 1787 ist so verheerend, dass auch heute noch die Stadtgeschichte in vor dem Brand und nach dem Brand eingeteilt wird. Verheerend ist er auch für den damals erst sechsjährigen Karl Friedrich Schinkel und seine Geschwister, die ihren Vater verlieren. Dieser, Archidiakon und Superintendent für Kirchen und Schulen in Neuruppin Johann Cuno Christoph Schinkel, stirbt wenige Tage nach dem Brand an einer im Zuge der Löscharbeiten zugezogenen Lungenentzündung. Die Mutter zieht mit den fünf Kindern in das Predigerwitwenhaus und sieben Jahre später weiter nach Berlin, wo sie sich bessere Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Kinder erwartet. Der 13jährige Karl Friedrich tritt ins renommierte Gymnasium zum Grauen Kloster ein, verlässt die Schule aber frühzeitig in der Sekunda. Dem ausgesprochen zeichenbegabten Knaben wird zwar gutes Betragen und Fleiß in vielen Fächern attestiert, doch das Lernen fällt ihm schwer.


Schinkel im Jahr 1836, kolorierte Kreidezeichnung nach F. Krüger
Entscheidend für sein weiteres Leben ist das nie gebaute Denkmal Friedrichs des Großen, mit dessen Entwurf der junge Architekt Friedrich Gilly seinen Ruhm begründet. Der 17jährige Schinkel ist so begeistert von dem Konzept und seinen Zeichnungen, dass er sich bei Vater Gilly, selbst ein geachteter Architekt, anheischig macht und schließlich als eine Art Baumeister-Lehrling in das Gilly-Haus einziehen darf. Schinkel schreibt sich auch als einer der ersten auf der 1799 frischgegründeten Berliner Bauakademie ein und lernt dort beim jungen Lehrer Friedrich Gilly. Jedoch stirbt dieser schon im August 1800, verfügt aber, dass Schinkel alle seine bereits begonnenen Privatbauten fertigstellen soll.

Dies führt ihn für die nächsten zwei Jahre in die märkische Provinz, wo er Kontakte zu hochgestellten Persönlichkeiten knüpft. 1803 kann er durch eine kleine Erbschaft seinen Jugendtraum erfüllen: eine Reise nach Italien. Italienreisen sind damals der große Schrei, bestens bekannt ist die von Goethe 1786. Nun, Schinkel ist in Begleitung eines Freundes fast zwei Jahre lang unterwegs. Die Reise führt ihn über Prag, Wien, Triest, Venedig und Florenz nach Rom. In Rom hält er sich mehrere Monate auf und pflegt häufigen Kontakt mit Wilhelm von Humboldt, der als Preußischer Resident beim Heiligen Stuhl weilt, und der gesamten deutschen Künstlerkolonie in Rom. Er führt nicht nur ein Reisejournal, sondern hält auch sehr viele Eindrücke von Landschaften und Gebäuden zeichnerisch fest; Zeichnungen, die von Zeitgenossen als ausgesprochen gelungen gepriesen werden. Nach einem längeren Ausflug über Neapel nach Sizilien geht es wieder nach Rom zurück. Später als geplant macht er sich auf die Rückreise und dort einen Abstecher nach Paris, dicht gefolgt vom Papst, der zu Napoleons Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 anreist.

Nach der Rückkehr aus Italien widmet sich Schinkel mehr der Malerei als der Architektur, auch, weil nach der Niederlage von Jena und Auerstedt gegen Napoléon 1806 größere Bauten nicht möglich sind. Fast sein ganzes Leben lang untersteht er dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., einem schlichten Mann der kargen Rede, der durch das Weglassen der Personalpronomina als Vater der Militärsprache gilt. „Er diente einem sparsamen König in einer geldarmen Zeit.“ sagt Theodor Fontane über Schinkel, die beide aus Neu-Ruppin gebürtig sind.
Schinkel schafft in den nächsten Jahren vorwiegend Panoramen und Dioramen für Theaterproduktionen, von denen einige noch erhalten sind. 1809 heiratet er Susanne Berger, mit der er vier Kinder haben wird.

1810 wird Schinkel auf Vermittlung seines Freundes Wilhelm von Humboldt, der im selben Jahr die Berliner Universität gründet und damit eine jahrzehntelang dauernde Bildungsdebatte auslöst, in der Berliner Oberbaudeputation angestellt und fünf Jahre drauf zum Geheimen Oberbaurat ernannt. In dieser Position ist er verantwortlich für die Ausgestaltung Berlins zum repräsentativen Regierungssitz und für alle Bauprojekte in den preußischen Besitzungen zwischen Rhein und Königsberg. Ab 1830 müssen ihm als Leiter der Oberbaudeputation alle staatlichen Bauvorhaben über 500 Taler (zum Vergleich: das ist etwa ein Sechstel seines Jahresgehaltes) zur Revision vorgelegt werden, und er bedingt sich aus, diese nicht nur nach ökonomischem, sondern auch nach ästhetischem Gesichtspunkt zu begutachten und gegebenenfalls stilistisch zu überarbeiten, was zur Geburtsstunde des Schinkel-Stils wird. Als Gutachter über die Erhaltung historischer Monumente gilt er auch als Begründer der staatlichen Denkmalpflege in Preußen.

Beeinflusst von seinem jung verstorbenen Lehrer Friedrich Gilly, der die französische Revolutionsarchitektur vor Ort studiert hat, prägt Karl Friedrich Schinkel nachhaltig den Stil des Klassizismus in Preußen mit seiner klaren Formensprache. Seine bedeutendsten Bauten stehen an markanten Berliner Orten.

Schinkel als Architekt

Neue Wache, koloriertes Foto um 1900


Die Neue Wache mit dem dorischen Portikus von 1816/18 steht gleich rechts neben der Humboldt-Universität an der Prachtstraße Unter den Linden. Sie ist sein erstes größeres Werk, eine Art "Miniatur-Monumentalbau". Die Neue Wache enthält heute eine Piatà von Käthe Kollwitz und dient als Mahnstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.





Am Gendarmenmarkt, eingerahmt vom Französischen und dem Deutschen Dom, steht das Berliner Schauspielhaus, heute Konzerthaus, 1819-21 als Ersatz für das abgebrannte Theater nach den Plänen Schinkels errichtet.

Schauspielhaus, 1821-24, am Gendarmenmarkt in der Mitte zwischen dem Französischen (links) und dem Deutschen Dom.
 
In den Jahren 1823-28 wird nach Schinkels Plänen das Alte Museum auf der Museumsinsel erbaut, als baulicher Abschluss des Lustgartens, gegenüber dem Berliner Stadtschloss (Heute ist dort die Rasenfläche nach dem Abriss des asbestverseuchten SED-Hauptquartiers). Dieser Bau ist das erste für die Öffentlichkeit zugängliche Museum in Preußen: Bisher sind Kunstsammlungen immer Privatbesitz von Adeligen oder Reichen und nicht öffentlich. Schinkel hat auf seiner Reise nach Frankreich, England und Schottland mehrere Museumsgebäude studiert. Viele der baulichen Elemente wie die Freitreppe oder die Säulenvorhalle waren bislang nur Herrschaftsbauten vorbehalten. Die Rotunde im Inneren ist ein direktes Zitat des römischen Pantheons. Das Alte Museum wird als Neues Museum gebaut, erweist sich jedoch schon bald als zu klein, und so entwirft der Schinkelschüler Friedrich August Stüler bereits 1843 das neue Neue Museum. Die 1912 gefundene weltberühmte Büste der Nofretete soll im Laufe des Jahres 2009 ihren Sitz vom Alten ins Neue Museum wechseln.

Altes Museum, 1830 eröffnet, auf der Spreeinsel. Farbradierung 1830 von F. A. Thiele

Rotunde des Alten Museums, in Anlehnung an das Pantheon in Rom







Friedrichswerdersche Kirche (1824-30) mit Schinkel-Statue im Vordergrund
Die Friedrichswerdersche Kirche ist der erste neugotische Backsteinbau Schinkels, der seinen bis dahin griechischen Baustil weitgehend ablöst.

So wie sich die Bahnhöfe im alten Habsburgerreich alle sehr ähneln, gibt es viele ähnliche Kirchen in preußischen Gemeinden. Sie sind nach den Plänen der sogenannten Schinkel´schen Normalkirche gebaut, die er auf Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nach dem Vorbild seiner Nikolaikirche in Magdeburg als klassizistischen Rundbogenbau entwirft, die nun preiswert in vielen preußischen Gemeinden errichtet werden, mit nur wenigen regionalen Ausgestaltungen. Die Kostenersparnis für das Seelenheil der rasch anwachsenden Gemeinden wird unter anderem durch den gedrungenen Turm erreicht, oder gleich die Hinfortlassung desselben.


Bauakademie in Bau, Gemälde 1834 von E. Gärtner, Standort: Dach der Friedrichswerderschen Kirche


Fassaden-Fake der Berliner Bauakademie, 2005 im Hintergrund die Friedrichswerdersche Kirche (in echt)


Bauakademie, Stahlsstich von E. Mandel 1853
Als der junge Schinkel in der soeben gegründeten Bauakademie 1799 zu studieren beginnt, ist die „Allgemeine Bau-Unterrichtsanstalt für alle königlichen Provinzen“ noch behelfsmäßig Unter den Linden untergebracht. Als reifer Mann entwirft er 1831 in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Gewerbeinstituts Peter Christian Wilhelm Beuth das neue Gebäude für die Bauakademie am Kupfergraben, das für viele Nachfolgerbauten richtungweisend und stilbildend ist. Vorbild sind englische Fabriksbauten aus rohen Ziegeln. Die Pfeilerkonstruktion des Backsteinkubus besteht aus tragenden Stützen und nichttragenden Wandelementen und kann als Vorläufer der Skelettbauweise betrachtet werden. Es ist 1836 fertig und eine Mischnutzung: unten Geschäftslokale, im 1. Stock ist die Bauakademie untergebracht und im 2. Stock die Oberbaudeputation. Auch Schinkel bezieht dort mit seiner Familie Quartier. Nach seinem Tod dienen seine privaten Arbeitszimmer als erstes Schinkel-Museum, um den Hinterbliebenen, die weiterhin dort wohnen, ein Auskommen zu sichern. Das Gebäude muss 1962 dem inzwischen seinerseits abgetragenen Neubau des DDR-Außenministeriums weichen. Ein Wiederaufbau der Bauakademie wird erwogen.

Auch die Förderung von Industrie und Handwerk liegt Schinkel am Herzen. Er befasst sich nicht nur mit Repräsentationsbauten, sondern auch mit dem Bau von Brücken, Leuchttürmen, Sternwarten und Gewerbebauten. Ab 1821 gibt er zusammen mit dem „Vater der Gewerbeförderung“ Christian Beuth die Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker heraus, Musterbücher zur Ausbildung des Geschmacks, weil nun neue Techniken wie Eisenguss oder Terrakotta eine industrielle Vervielfältigung von Verzierungen ermöglichen.

Zwar erhält Schinkel 1820 einen Ruf an die Bauakademie, ist dort aber nie als Lehrer tätig, sondern nur in Prüfungskommissionen, hat er doch in der Oberbaudeputation genug zu tun. Dennoch hat er mehrere Architektengenerationen Preußens und nachhaltig geprägt. Die sogenannte „Schinkelschule“ zeichnet sich durch einen als ärmlich und spröde belächelten Segmentbogenstil und die Verwendung von Sichtbacksteinen und Terrakotten in Rundbogenarchitektur aus und wird von dem sich emanzipierenden Bürgertum der Hauptstadt mit seinem Wunsch nach verspielt-historisierender Repräsentationsarchitektur nicht sehr geschätzt.

Mitgliedschaft bei zahlreichen Kunstakademien ua. in Wien, St. Petersburg, Paris und Rom.

Schinkel ist nicht nur als Architekt tätig, sondern auch als Innenarchitekt und Möbeldesigner. Tapeten, Fayencen, Teppiche, Öfen, Möbel, Gläser, fast alles wird nun im Schinkel-Stil oder nach seinen Vorlagen verfertigt. Auch das neue Gittergeländer der Langen Brücke oder die Gaslaternenbeleuchtung Unter den Linden entwirft Schinkel. Sogar das Design für das 1813 von Friedrich Wilhelm III. gestiftete Eiserne Kreuz stammt von ihm. Auch verschiedene Denkmäler gehen auf ihn zurück, zB. für die 1810 verstorbene Königin Luise von Preußen oder das Grabmal für den General von Scharnhorst, das er in enger Zusammenarbeit mit den beiden befreundeten Bildhauern Christian Daniel Rauch und Christian Friedrich Tieck schafft.

Aber viele seiner Entwürfe werden auch nicht umgesetzt, zumeist aus Geldmangel seines sparsamen Königs, entfalten ihre Wirkung aber dennoch als Theorie oder Modell. Hierzu gehören etwa die Umgestaltung der Akropolis in einen Königspalast, die Berliner Sing-Akademie, eine Laden-Galerie Unter den Linden, ein Entwurf der Peterskirche oder der Orianda-Palast auf der Krim. Viele seiner Bühnenbilder sind eine Mischung von romantischen Landschaften und Architektur-Utopien. Einige davon sind noch erhalten.

Schinkel bringt seit 1819 bis fast zu seinem Tod 28 Hefte als Sammlung architectonischer Entwürfe mit insgesamt 174 großformatigen Kupfern heraus, die die Architektur seiner Zeit stark beeinflussen. Umstritten ist, ob diese Hefte als Vorbereitung für ein architektonisches Lehrbuch dienten. Es wird vermutet, dass der König auf ein solches beharrt und Schinkel darüber bei seinem umfassenden und vielfältigen Werk die Bedeutung von Bahnhöfen übersieht, weil kein einziger Entwurf hierzu überliefert ist. (1838 wird die Bahnstrecke Berlin-Potsdam eröffnet)
 

Schinkel ist in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts am Höhepunkt seiner Schaffenskraft und seiner gesellschaftlichen Wirkung. Er ist regelmäßig beim preußischen Kronprinzen Karl eingeladen, pflegt häufigen freundschaftlichen Umgang mit dem Bildhauer Christian Rauch, besucht zusammen mit ihm und Ludwig Tiecks Bruder Friedrich den alten Geheimrat Goethe in Weimar, mit dem er regen Briefkontakt hält, und auch die Geschwister Brentano gehören zu seinem Kreis. Mit dem Direktor des 1821 gegründeten Berliner Gewerbeinstituts, dem „Vater aller Ingenieure“ Christian Beuth, verbindet ihn jahrelange Freundschaft. Die beiden unternehmen 1826 eine mehrmonatige Reise nach England und Schottland in Sachen Industriespionage, und Schinkel ist von der englischen Backsteingotik sehr angetan. Beuth ist es auch, der die Finanzlage der Hinterbliebenen nach Schinkels Tod im November 1841 regelt.


„Schloss am Strom“, 1820, Ölgemälde von Schinkel. Clemens Brentano, einer der wichtigsten Novellisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wirft einmal die Frage auf, ob der Malerei oder der Dichtkunst der Vorrang gebührt, und fordert seinen Freund Schinkel zum künstlerischen Wettstreit. Er schmückt eine Erzählung wunderbar aus und sieht sich schon den Sieg davontragen, als Schinkel dessen Erzählung so stimmig illustriert, dass man sich auch heute noch hineinversetzt fühlt. Wer tatsächlich gewonnen hat, ist nicht überliefert.