Kienberger Julia

Dipl.-Ing. Dr.techn.Foto Kienberger Julia 

Forum Technik und Gesellschaft Förderpreisträger 2013
Kategorie Dissertationen
1. Preis

Titel
Antibakterielle Ausrüstung von Polyolefinen mittels Thiol-en Chemie
Kurzfassung
In dieser Arbeit wird die Synthese und Charakterisierung neuer antibakterieller Polymere, basierend auf der Post-Modifizierung von Polyisopren und nachfolgender Quaternisierung der eingeführten Amine, präsentiert. Dabei wurde eine Thiol-en Reaktion angewandt, die für ihre „Klick“ Eigenschaften, Robustheit und viele kombinierbare Edukte bekannt ist. Die erhaltenen Polymere wiesen ein gutes thermisches Verhalten sowie exzellente antibakterielle Eigenschaften auf. Deshalb wurde ein Polymer mit einem Funktionalisierungsgrad von 20%, das durch Alkylierung quaternisiert wurde, ausgewählt und in einen handelsüblichen Kunststoff in 2.5 und 5.0 Gew.-% einkompoundiert. Die antibakterielle Aktivität wurde nach diesem Prozess bewahrt und ein bakteriostatisches Material wurde erhalten. Im zweiten Teil lag der Fokus der Untersuchungen in der Formulierung eines antibakteriellen Lacks. Für diese Entwicklung wurde in einem ersten Schritt ein Polybutadien mit hohem Vinylanteil mit N- 2-(Dimethylamino)ethanthiolhydrochlorid funktionalisiert. Filme aus diesem Polymer, Naturkautschuk und einem tetra-funktionalen Thiol als Vernetzungsreagenz wurden bereitet. Nach Belichtung wurden Netzwerke erhalten, die mittels FT-IR, Wiedergewinnungstests, Kontaktwinkelmessungen und antibakteriellen Untersuchungen charakterisiert wurden. Dabei wurde gezeigt, dass in erster Linie vinylische Doppelbindungen vernetzend reagieren.
persönliche Begründung der gesellschaftlichen Relevanz
Meine Großmutter fürchtet nichts mehr als einen Aufenthalt im Spital, denn: “man kommt immer kränker heraus, als man es betreten hat“. Eine Annahme, die nicht zu Unrecht sehr weit verbreitet ist, denn eine Vielzahl von nosomikalen Infektionen werden durch multiresistente Bakterienstämme, die im hospitalen Umfeld angesiedelt, übertragen. Aber auch in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens, wie der Lebensmittelverarbeitung und Lagerung oder der Trinkwasserversorgung ist die Kontrolle der mikrobiellen Reinheit unabdingbar. Konventionelle Biozide erfüllen allerdings einige Anforderungen an das Wirkstoffsystem nur unzureichend. Das in dieser Arbeit verfolgte Konzept von antibakteriellen Kunststoffen zeigt einen alternativen Weg zu herkömmlichen Desinfektionsmitteln. Durch die kovalente Bindung des mikrobiellen Wirkstoffes an das Polymergerüst wird verhindert, dass die biozide Aktivität mit der Zeit abnimmt, wie es bei herkömmlichen, zum Beispiel mit Silber ausgerüsteten Systemen der Fall ist. Zusätzlich zu diesem Kostenfaktor und einem systembedingten „Ablaufdatum“ des antibakteriellen Materials, kommt es zu keinem Freisetzen von biologisch aktiven Substanzen in die Umwelt, das durch Akkumulationsprozesse unter Umständen weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Da das Interaktionsprinzip des antibakteriellen Kunststoffes mit der Bakterienzelle physikalisch ist, ist auch die Bildung von Resistenzen wie gegen Antibiotika ausgeschlossen. Dieses Wirkprinzip ist nicht neu, allerdings erlaubte die aufwendige chemische Synthese der bisher erforschten Polymere keinen routinemäßigen Einsatz. In der von mir verfassten Dissertation wurde aus diesem Grund eine Reaktion gewählt, die die sehr einfache chemische Modifizierung von Doppelbindungen im Polymergerüst und dadurch Implementierung von funktionellen Gruppen in den Kunststoff erlaubt. Die Thiol-en Reaktion, die chemische Umsetzung eines Thioalkohols mit einem ungesättigten Kohlenwasserstoff, gewährleistet eine effiziente Reaktionsführung unter sehr milden Bedingungen. Zusätzlich zur daraus resultierenden Reduktion der Ressourcen, die einen wichtigen Schritt zur tatsächlichen Umsetzung des Konzeptes stellt, konnte durch die strukturierte Forschungsarbeit ein Beitrag zur Diskussion dieser von höchstem wissenschaftlichem Interesse verfolgten Reaktion geliefert werden. Es konnte in weiterer Folge gezeigt werden, dass das entwickelte Wirkstoffsystem als Lack, der durch eine UV-initiierte Reaktion aushärtet, eingesetzt werden kann, wodurch die Menge an benötigtem Aktivmaterial zusätzlich reduziert werden kann. Die technische Möglichkeit, Bauteile, wie zum Beispiel Wasserrohre zu fertigen und in einem Finalisierungsschritt antibakteriell auszurüsten, konnte auf diesem Weg im Labormaßstab gezeigt werden. Diese Anwendung, die es möglich macht, Trinkwasser in steriler Umgebung zu transportieren, fußt tatsächlich auf realem industriellem Interesse, wie die jahrelange Kooperation mit einem Wirtschaftspartner, der auch die Entstehung dieser Arbeit zugrunde liegt, zeigt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen, Prüfinstituten und mehreren Lebensmittel verarbeitenden Unternehmen in und außerhalb Österreichs unterschreibt die tatsächliche Umsetzbarkeit des vorliegenden Forschungsthemas und resultierte nicht nur in fachspezifischen Publikationen, sondern auch in einem EU- Patent- Basis für weiterführende Arbeit an diesem Thema.