Rissner Ferdinand

Dipl.-Ing. Dr.techn.Foto Rissner Ferdinand 

Forum Technik und Gesellschaft Förderpreisträger 2012
Kategorie Dissertationen
1. Preis ex aequo

Titel
Collective Effects in Self-Assembled Monolayers of Polar Organic Molecules
Kurzfassung
Ein Schwerpunkt in der Forschung über organische und molekulare Elektronik sind selbstorganisierte Monolagen (SAMs) polarer organischer Moleküle und die Grenzflächen, die sie mit Metallen bzw. (organischen) Halbleitern bilden. Für ein tiefes Verständnis der elektronischen Eigenschaften von SAMs sind vor allem zwei Aspekte sind zentral: Es ist (i) dem Unterschied Rechnung zu tragen zwischen den Eigenschaften eines isolierten Moleküls im Vakuum und denen eines Moleküls, das in einer Monolage eingebettet ist - also von seinesgleichen umgeben ist. Nicht minder wichtig ist (ii) die Wechselwirkung zwischen der SAM und dem Material, an das sie gebunden ist. Diese Arbeit versucht sich diesen Themen mit Hilfe von Computerexperimenten auf Basis der Dichtefunktionaltheorie zu nähern. Thema (ii) betreffend diskutiert sie sogenanntes Fermi-Level-Pinning, welches in vielen Fällen die elektronische Struktur an der Grenzfläche bestimmt. In drei qualitativ unterschiedlichen Systemen wird untersucht, welche Mechanismen zur Herstellung des thermodynamischen Gleichgewichts an der Grenzschicht führen. Dies sind (a) auf Metall chemisorbierte Monolagen, (b) Dreischichtsysteme in welchen auf Systemen der Art (a) eine zusätzliche SAM physisorbiert ist, und schließlich (c) SAMs deren Moleküle durch die Adsorption radikalischen Charakter annehmen. Bezüglich (i) wird untersucht, inwiefern Position, Anzahl und Ausrichtung von intramolekularen Dipolen die elektronischen Eigenschaften einer Monolage determinieren, welche aus den entsprechenden Molekülen gebildet wird. Dabei werden zuerst gemischte Monolagen betrachtet, in denen die Dipole benachbarter Moleküle in entgegengesetzte Richtung zeigen. Die molekularen Dipole sind dabei in Form polarer Endgruppensubstituenten realisiert. Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit konzeptionell unterschiedlichen Molekülen, welche aus polaren Wiederholeinheiten bestehen. Die Verteilung der Dipole kann in diesem Fall über die Anzahl der Wiederholeinheiten, Orientierung der Moleküle und schießlich den intermolekularen Abstand eingestellt werden.
persönliche Begründung der gesellschaftlichen Relevanz
Sehr geehrte Mitglieder der Jury, meine Dissertation mit dem Titel „Collective Effects in Self-Assembled Monolayers of Polar Organic Molecules“ wurde am 1. 3. 2012 mit „Sehr gut“ beurteilt. Sie beschäftigt sich mit der atomistisch-quantenmechanischen Computersimulation von Metall/Organik-Nanosystemen. Im Konkreten behandelt sie die elektronischen Eigenschaften von Grenzflächen zwischen dem Metall Gold und monomolekularen Schichten von polaren organischen Molekülen (sogenannten self-assembled monolayers (SAMs)), wie sie für die organische bzw. molekulare Elektronik relevant sind. Aktualität und gesellschaftliche Relevanz der organischen Elektronik begründen sich in erster Linie durch die Entwicklung organischer Solarzellen, welche möglicherweise eine Teillösung des Energieproblems darstellen werden. Ziel ist hier, Zellen bei geringen Material- und Herstellungskosten zu entwickeln. Außerdem kann die mechanische Flexibilität organischer Materialien bisher nicht zugängliche Einsatzmöglichkeiten für Photovoltaik eröffnen. Anwendungen der organischen Elektronik sind auch im Bereich der Alltagselektronik geplant bzw. zum Teil schon realisiert, etwa in Anzeigeelementen oder Sensoren. Schließlich verspricht der Einsatz organischer Materialien als Leuchtmittel Lichtquellen, welche nicht nur energieeffizient sind, sondern als Flächenleuchten auch flexibel positioniert werden können. Eine wesentliche Eigenschaft von (opto)elektronischen Bauelementen ist die relative energetische Position elektronischer Zustände an Materialgrenzflächen. Diese Energiedifferenzen gezielt einstellen zu können bedeutet unter anderem, die vom Bauteil benötigte bzw. bereitgestellte Spannung zu optimieren – eine wesentliche Kennzahl. Der Fokus der Dissertation liegt auf der Kontrolle dieser Grenzflächeneigenschaft durch Modifikation der Elektrodenoberfläche (Gold) mit SAMs, und auf dem Verständnis der elektronischen Struktur der SAMs selbst. Kollektive elektrostatische Effekte führen dazu, dass die Wechselwirkung zwischen Metall und molekularer Monolage sich qualitativ von der zwischen Metall und einem Einzelmolekül unterscheiden kann, gleich wie die elektronischen Eigenschaften der Monolage selbst (in erster Linie die sogenannte Bandlücke) sich stark von denen der sie konstituierenden Moleküle unterscheiden. Dies unterstreicht, dass sich die Arbeit an der Grenze zwischen Chemie und Physik befindet; es zeigt aber auch, wie wichtig eine detailliertes Verständnis dieser elektrostatischen Effekte für ein gezieltes Design der diskutierten Metall/Organik-Grenzflächen ist. Damit leistet die Arbeit auch einen Beitrag zum Verständnis von Experimenten an ultimativ miniaturisierten elektronischen Bauteilen („molekulare Elektronik“) wie der Einzelmoleküldiode, dem Einzelmolekültransistor, -schalter oder -speicher, welche zum jetzigen Zeitpunkt als Grundlagenforschung zu bezeichnen sind. Sie geht über Grundlagenforschung insofern hinaus, als manche Resultate unmittelbar Verwendung finden können. Dies ist denkbar etwa im Rahmen von Multiskalensimulationen kompletter Bauteile. Rechnungen, die derartige makroskopische Strukturen quantitativ beschreiben wollen, sind auf eine Reihe von Eingangsparametern angewiesen. Ein Beispiel dafür sind Ladungsträgerinjektionsbarrieren an der Grenzschicht zwischen zwei Materialien, welche unmittelbar aus der eingereichten Dissertation extrahiert werden können.