Die Größen der Technik

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Julius Robert Mayer

Julius Robert Mayer ist der dritte und jüngste Sohn des angesehenen und wohlhabenden Heilbronner Apothekers Christian Jakob Mayer (Apotheke zur Rose) und seiner Frau Katharina Elisabeth Heermann. Er kommt am 25. November 1814 in der ehemaligen schwäbischen Reichsstadt Heilbronn zur Welt, die immer seinen Lebensmittelpunkt bilden wird. Nach dem Gymnasium in Heilbronn und dem Besuch des evangelischen Seminars schließt er die Reifeprüfung in Stuttgart ab und bezieht mit 18 Jahren die altehrwürdige Universität in Tübingen, um dort Medizin zu studieren. Kurz vor dem Abschluss wird er wegen „unbefugten Besuchs eines Museumsballs in unschicklicher Kleidung“ arretiert und gemeinsam mit anderen Gründungsmitgliedern des verbotenen Studentencorps Guestphalia, deren Farben sie getragen haben, für ein Jahr der Universität verwiesen. Diese Zeit nützt er für eine Reise durch die Schweiz und nach München und Wien, wo er verschiedene Krankenhäuser besucht.


Stadtarchiv Heilbronn. Robert Mayer (links) mit seinen Eltern, dem Apotheker Christian Jakob Mayer und Katharina Elisabeth, geb. Heermann, und mit seinem Bruder Carl Gustav.

In seiner Dissertation Über das Santonin beschreibt er die Wirkungsweise dieses neuen Medikaments anhand der Krankengeschichten von 24 Kindern, die an Spulwürmern erkrankt sind. Nach der Promotion macht er in seiner Heimatstadt Heilbronn eine kleine Praxis auf, die ihm Zeit genug lässt, französisch und niederländisch zu lernen, denn der Vater möchte, dass der Sohn mehr von der Welt sieht. Also bricht Robert zunächst nach Paris und von dort aus nach Den Haag auf, um nach einer Prüfung zum Sanitätsoffizier auf einem holländischen dreimastigen Segelfrachtschiff als Schiffsarzt anzuheuern. Die Reise dauert 101 Tage und geht nach Ostindien, genauer nach Java. Bei den Aderlässen, die er an der Mannschaft vornehmen muss, stellt er fest, dass ihr Venenblut ungewöhnlich hell ist, fast so hell wie das viel sauerstoffreichere Arterienblut. Robert Mayer schließt daraus, dass bei hohen Temperaturen der Oxidationsprozess im Blut weniger intensiv abläuft, weil ein Teil der vom Körper benötigten Wärme von der Umgebung bereitgestellt wird, dass also Menschen für die gleiche Arbeit in den Tropen weniger Energie aufwenden müssen als in kühleren Gefilden, und damit auch weniger Wärme an ihre Umgebung abgeben, und folgert daraus eine Äquivalenz von Wärme und mechanischer Energie (also Arbeit).

Später beschreibt Mayer, dass er Lavoisiers Theorie kannte, wonach die Wärme eines Organismus auf die Oxidation der Nahrungsmittel zurückzuführen ist, und zieht den Schluss, dass die in den Tropen höhere Außentemperatur eine geringere Wärmeproduktion des menschlichen Organismus und also auch eine geringere Oxidation und daher helleres Venenblut verursacht. Zwar ist das falsch, aber dennoch ist diese Beobachtung die Basis für die erste Formulierung des Energieerhaltungssatzes.

causa aequat effectum - die Ursache ist der Wirkung gleich

Ganz erfüllt von seiner Entdeckung, kehrt er im Februar 1841 ins heimische Heilbronn zurück, um die Sache genauer zu untersuchen und sich mit dem Wärmehaushalt des menschlichen Organismus zu befassen. In einem Brief vom Juli 1841 schreibt er: „Wenn Bewegung abnimmt und aufhört, so bildet sich immer ein dem verschwindenden Kraft(Bewegungs)Quantum genau entsprechendes Quantum von Kraft mit anderer Qualität, namentlich also Wärme.“ (Mit Kraft meint er Energie. Das Wort Energie wird erst in den 1850er Jahren von William Rankine in die Physik eingeführt.). Mayer erkennt also als erster, dass Wärme kein Stoff ist, sondern eine Energieform.

Mayer fasst seine Beobachtungen und ihre Schlussfolgerungen unter dem Titel Über die quantitative und qualitative Bestimmung der Kräfte zusammen und schickt sie an Poggendorffs Annalen der Physik, das renommierteste deutschsprachige Blatt für naturwissenschaftliche Veröffentlichungen, wo sie aber weder veröffentlicht noch zurückgegeben werden. Gründlich überarbeitet und mit einem anderen Titel versehen, erscheint die physikalische Erkenntnis des Heilbronner Oberamtswundarztes im Mai 1842 in Liebigs Annalen der Chemie und Pharmazie Band 42/2 als Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur. Mayer fabuliert auf acht Seiten über das Ursache-Wirkung-Prinzip und die Zusammenhänge zwischen Fallkraft (potentielle Energie), Bewegung (Arbeit) und Wärme und dass sie verlustfrei ineinander überführbar sind. Seine Erkenntnisse sind sehr allgemein formuliert und werden nicht weiter beachtet.

Das Phänomen selbst jedoch erfreut sich zu dieser Zeit gleich mehrfacher Bearbeitung. So weist der britische Physiker und Brauereibesitzer James Prescott Joule das mechanische Wärmeäquivalent experimentell nach, indem er einer definierten Menge thermisch isolierten Wassers eine definierte Menge mechanischer Energie zuführt und die Temperaturerhöhung misst. Hat Mayer in Liebigs Annalen quasi aus dem hohlen Bauch heraus eine Höhe von 365 Metern angegeben, um die ein Gewicht abgesenkt werden muss, um Wasser desselben Gewichts von 0°C auf 1°C zu erwärmen – ein Experiment hierzu fehlt –, so präzisiert Joule auf 427 m. Und auch der Däne Ludwig August Colding legt Berechnungen zum Wärmeäquivalent vor. Heute wird das mechanische Wärmeäquivalent mit 425 kpm (Kilopondmeter) angegeben.

Der schwere Weg zur Anerkennung

Stadtarchiv Heilbronn

Julius Robert Mayer, seit 1842 verheiratet mit der Winnender Stadtpflegerstochter Wilhelmine Regine Caroline Cloß und seit 1847 gewählter Heilbronner Stadtarzt, bearbeitet seine Idee der Energieerhaltung von allen und nach allen Seiten und publiziert bei unterschiedlichen schwäbischen Buchhandlungen mehrere diesbezügliche Aufsätze, die alle darauf zielen, sein Prioritätsrecht bei der Entdeckung der Gleichwertigkeit von Wärme mit mechanischer Arbeit zu untermauern.

Dies gelingt jedoch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung. Zur fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung kommen persönliche Sorgen – drei ihrer fünf Kinder sterben, Robert entgeht während der Revolutionswirren 1848/49 nur knapp einer standrechtlichen Erschießung, und seine beiden Brüder Fritz Ferdinand und Carl Gustav werden wegen ihrer revolutionären Einstellung später politisch verfolgt. Im Mai 1850 bricht Robert Mayer dann völlig zusammen und stürzt sich nach einer schlaflosen Nacht vor den Augen seiner Frau aus dem Fenster ihrer im 2. Stock gelegenen Wohnung am Kirchhöfle 13. Er überlebt den Neunmetersturz nur knapp – es bleibt ihm eine Gehbehinderung – und wird über Jahre hindurch immer wieder in die Irrenanstalten von Göppingen und Winnenden in psychatrische Behandlung gegeben, deren Methoden (Zwangsjacke) er später mit der spanischen Inquisition vergleicht.

1854 jedoch wendet sich das Blatt: Hermann von Helmholtz, der ihm jahrelang die Entdeckung streitig machen wollte, bezeichnet ihn nun in einem Vortrag als den ersten, der „das Prinzip von der Erhaltung der Energie rein und klar erfasst und seine absolute Gültigkeit ausgesprochen“ hat. In Liebigs Annalen von 1842 geschieht das zwar nicht in diesen Worten, aber so lautet der Energieerhaltungssatz, der in geschlossenen Systemen Gültigkeit hat:

„Energie kann nicht vernichtet werden. Sie kann lediglich in eine andere Form von Energie umgewandelt werden. Man kann keine Maschine konstruieren (Perpetuum Mobile erster Art), die nichts weiter tut als Energie zu erzeugen.“


Diese Statue stammt von W. v. Rümann und wurde 1892 auf dem Heilbronner Marktplatz enthüllt

Zwar wird in Poggendorffs Biographisch-literarischem Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften fälschlicherweise Mayers Tod im Irrenhaus vermeldet, aber Totgesagte leben bekanntlich länger, und von nun an wird Robert Mayer die jahrelang vermisste Anerkennung und vielfache wissenschaftliche Ehren zuteil. Auch der britische Physiker John Tyndall, übrigens ein Schüler Bunsens, spricht auf der dritten Weltausstellung 1862 in London öffentlich von der Priorität Mayers für den Energieerhaltungssatz. Mayer wird ein Ehrendoktorat seiner alma mater verliehen, und er wird zum korrespondierenden Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft zu Basel und der Königlich-Bayerischen Akademie in München unter der Präsidentschaft von Justus von Liebig ernannt. 1867 wird er in den Adelsstand erhoben und darf sich „von Mayer“ nennen – eine Ehre, die unter den deutschsprachigen hier behandelten „Größen der Technik“ auch Justus (1845 von) Liebig, Carl Ritter (1851 von) Ghega und Werner (1888 von) Siemens zuteil wird. 1871 wird ihm von der Royal Society die Copley-Medal verliehen, was etwa dem Nobelpreis vergleichbar ist, der ja erst seit 1901 existiert.

Robert Mayer steigt in der Achtung seiner Zeitgenossen so hoch, dass seine 1880 erschienene und 1972 wieder aufgelegte Biographie den Titel Robert Mayer: der Galilei des 19. Jahrhunderts trägt.

Exkurs: Thermodynamik und Entropie

Der Energieerhaltungssatz macht später als Erster Hauptsatz der Thermodynamik Karriere. (Thermodynamik ist die Lehre von der Arbeitsverrichtung durch Wärme, also zB. eine Dampfmaschine).

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik heißt auch Entropiegesetz. Er schränkt den ersten Hauptsatz ein, indem er sagt, dass zwar mechanische Energie zu 100 % in Wärme überführbar ist, jedoch nie Wärme zu 100 % in mechanische Energie. Es wird ohne Energiezufuhr immer die Wärmeenergie vom wärmeren zum kälteren Körper strömen. Ein stehengelassener Teller Suppe wird nie wieder von alleine warm. Dies bedeutet eine Irreversibilität vieler Prozesse und ist auch das einzige physikalische Grundgesetz, in dem die Zeit t nicht durch -t ersetzt werden kann, wo der Zeit also eine Richtung gegeben wird, und zwar immer in Richtung zunehmender Entropie, also ausgeglichener Energiezustände. In letzter Folge bedeutet das, dass die Erde eines Tages einen Wärmetod durch Abwärme erleiden wird. S = k ln W lautet die „Formel des Lebens“, 1877 vom damals in Graz wirkenden Physiker Ludwig Boltzmann aufgestellt: Die Entropie wird durch den natürlichen Logarithmus sämtlicher möglicher Zustände in einem System beschrieben. Die größte Entropie eines abgeschlossenen Systems ist dann erreicht, wenn sich das System im Gleichgewicht befindet, zum Beispiel Milch, die man in seinen Kaffee gießt, die sich zunächst langsam und wolkig dort ausbreitet und sich schlussendlich innig mit ihm zu einem Milchkaffee verbindet. Der hypothetische umgekehrte Prozess, dass sich Milch und Kaffee wieder entmischen, läuft nicht ohne Zufuhr von Energie ab.

Der Dritte Hauptsatz der Thermodynamik klingt vergleichsweise unspektakulär und besagt, dass am absoluten Nullpunkt die spezifische Wärme Null ist. Als Folge daraus kann der absolute Nullpunkt von -273° Kelvin nie erreicht werden. Der dritte Hauptsatz wird hier nur der Vollständigkeit halber angeführt, und auch deshalb, weil die als Nernst-Theorem bekannte Formulierung vom nachmaligen Nobelpreisträger Walther Nernst stammt, welcher in der Zeit der Errichtung unserer Alten Technik mit dem eben erwähnten Ludwig Boltzmann und dem TU-Professor Albert Ettingshausen in Graz gemeinsame Forschungen betrieben hat. Auch damals gab es zwischen 1877 und 1886 sozusagen schon ein hochschulenübergreifendes Projekt NaWi Graz ( auch wenn es sicher nicht so geheißen hat), bis auch die damalige k. k. technische Hochschule ein eigenes Chemiegebäude erhält.