Die Größen der Technik

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Friedrich Wilhelm Bessel

* 22. Juli 1784 in Minden, + 17. März 1846 in Königsberg


Friedrich Wilhelm Bessel, 1784 – 1846. Der ehemalige Bremer Handlungsgehilfe berechnete als Professor in Königsberg die genauen Dimensionen der Erde, beobachtete als erster eine Fixsternparallaxe und schuf damit die Grundlagen der Entfernungsbestimmungen im Weltraum.
Bessel wird in die Mindener oberen Zehntausend hineingeboren, viele seiner Verwandten führen ein Adelsprädikat. Seine ausgesprochene Abneigung gegen den Lateinunterricht führt dazu, dass er seine Gymnasialkarriere bereits in der Untertertia (das entspricht der 4. Klasse) abbricht und als Lehrling in das angesehene Bremer Handelshaus Kuhlenkamp eintritt. Seine Idee ist es, Expeditionen nach Übersee zu begleiten, und daher eignet er sich Kenntnisse in Schifffahrtskunde an, namentlich den astronomischen Teil der Nautik, und gelangt so zur Berechnung von Kometenbahnen. Um diese bewerkstelligen zu können, bringt er sich durch Selbststudium die höhere Mathematik bei.
Mit einem selbstgebauten Instrument macht Bessel noch als Lehrling Beobachtungen und Messungen von Sternen nach der später so genannten Zirkummeridianmethode: Zeitbestimmungen aus Beobachtungen gleicher Höhen zweier Sterne von nahezu gleicher Deklination auf beiden Seiten des Meridians.

Damit in der Hand spricht er auf der Straße den berühmten Bremer Astronomen Heinrich Wilhelm Olbers an, der 1797 die "Abhandlung über die leichteste und bequemste Methode, die Bahn eines Cometen zu berechnen" verfasst hat und Gründungsmitglied des Observatoriums Lilienthal bei Bremen ist, das damals am besten ausgerüstete Observatorium der Welt mit großer Bedeutung für Carl Friedrich Gauß. Olbers erkennt das Talent des Jungen, wird zu seinem Mentor und führt den jungen Bessel in die Astronomische Gesellschaft ein, in deren Monatsblättern wichtige wissenschaftliche Aufsätze publiziert werden. Von Bessels 385 Druckschriften sollten später viele dort erscheinen.

Nachdem er seine Lehrzeit abgeschlossen hat, schlägt Bessel das Angebot eines gutbezahlten Handelsgehilfen aus und nimmt stattdessen auf Olbers´ Fürsprache die schlechtbezahlte Inspectorstelle im Observatorium Lilienthal an, um bei Schröter zu lernen und mit guten Instrumenten seine Kenntnisse des Himmels zu vervollkommnen.

Olbers ist es auch, der Bessel durch Empfehlung zu einer Professur an der Albertina, der Universität von Königsberg in Ostpreußen, verhilft, die dieser 1810 antritt. Hiermit verbunden ist auch die Errichtung einer neuen Sternwarte, die Bessel mit Geldern des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. in einer alten Windmühle bauen lässt. Das Geld fließt aber nur zögerlich, immerhin sind die napoleonischen Wirren noch nicht vorbei und der Krieg hat immer Vorrang. So wundert sich einer Überlieferung nach Napoleon, der auf seinem Russlandfeldzug durch Königsberg kommt, dass der preußische König Geld für eine Sternwarte übrig hat.


Die „Bessel-Ei“ genannte Skulptur von Jürgen Goertz wurde 1990 auf dem Platz der ehemaligen Ansgarii-Kirche in Bremen errichtet, deren Kirchturmspitze Bessel als Ausgangspunkt für die Landvermessung nutzte.
Während einer stagnierenden Bauphase schlägt Bessel ein Angebot an die Mannheimer Sternwarte aus, ebenso wie viel später auch einen Ruf an die Berliner Akademie, um deren Astronom und Direktor der Sternwarte zu werden. Das könnte damit zu tun haben, dass er Johanna kennenlernt, die Tochter des Königsberger Medizinalrats Karl Gottfried Hagen, die er 1812 ehelicht und mit der er vier Kinder haben wird.

In der Wartezeit nimmt Bessel die schon in Lilienthal begonnene Bearbeitung der Beobachtungen von James Bradley aus dem Jahre 1755 in Greenwich wieder auf, einem der Begründer der wissenschaftlichen Astronomie. Die Ergebnisse legt der lateinhassende Nichtakademiker in einem auf Latein verfassten Werk vor. Ein großer Verdienst Bessels dabei ist die Bestimmung der Instrumentenfehler Bradleys und deren genaueste Korrektionen durch eine Reduktionsformel für das Passageninstrument (den Meridiankreis), die noch lange nach seinem Tode auf vielen Sternwarten angewandt wird.

1813 ist die Sternwarte endlich fertig und wird im Laufe der Zeit mit den besten Instrumenten ausgestattet, mit denen Bessel in den nächsten 30 Jahren Messungen von bis dahin unerreichter Genauigkeit anstellt. Diese führen 1838 zu seinem astronomisch größtem Erfolg, der Parallaxenmessung zur Entfernungsbestimmung des Fixsterns 61 Cygni (ein Doppelstern), die er mit einem Fraunhofer´schen Heliometer vornimmt. Mit dieser ersten genauen Angabe über die Entfernung eines Fixsterns zur Erde überhaupt liefert Bessel so nebenbei den bis dahin noch ausstehenden wissenschaftlichen Beweis für die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes, welches 300 Jahre vorher von seinem Kollegen Nicolaus Copernicus postuliert worden war. Wenn sich die Erde um die Sonne dreht, so muss sich im Laufe eines Jahres die Position eines nahen Fixsterns gegenüber dem weiter entfernten Hintergrund ändern. Diese scheinbare Positionsänderung wird allgemein als Parallaxe bezeichnet. Anhand der Parallaxe ist es aber auch möglich, die Entfernung zwischen Sonne und Sternen zu bestimmen. Zur Gerätepräzision: Bessel maß eine Abweichung von der Mittellage, die der eines Standuhr-Pendels aus einer Entfernung von etwa hundert Kilometern entspricht.

In seinen späteren Jahren unternimmt Bessel gemeinsam mit Johann Jacob Baeyer, Offizier im preußischen Generalstab und Begründer der europäischen Gradmessung, Landvermessungen mithilfe der von Gauß erfundenen Methode der kleinsten Quadrate, zu der er selbst mehrfach Beiträge geliefert hat. Der Briefwechsel zwischen den beiden ist überliefert. Bessels gemeinsam mit Baeyer verfasstes Werk „Gradmessung in Ostpreußen und ihre Verbindung mit der preußisch-russischen Dreieckskette“ von 1838 bildet die Basis der von ihm entwickelten Formeln zur Bestimmung der Größe und Figur der Erde. Das sogenannte Bessel-Ellipsoid dient heute noch in Dutzenden Staaten als Referenz-Ellipsoid bei der Landvermessung, so auch in Österreich.

Quasi als Nebenprodukt zur Berechnung seiner astronomischen Messungen und Forschungen hat Bessel eine Reihe von mathematischen Formeln und Gesetzen geschaffen, die hier in der Folge kurz beschrieben werden sollen:
  • Die besselsche Differentialgleichung ist eine lineare gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Die Lösungen der besselschen Differentialgleichung heißen Bessel-Funktionen. Er selbst hat sie zur Darstellung von Störungen der Planetenbahnen verwendet, und erst viel später hat sich herausgestellt, dass sie auch für die exakte Beschreibung von Problemen elektromagnetischer Art vorzügliche Dienste leisten. Man zählt die Bessel-Funktionen wegen ihrer vielfältigen Anwendungen in der mathematischen Physik zu den speziellen Funktionen.
  • Die besselsche Ungleichung beschreibt in der Funktionsanalysis den Sachverhalt, dass ein Vektor f eines Hilbertraums mindestens so "lang" ist wie eine (beliebige) seiner Projektionen auf Unterräume.
  • Das Besselsche Sonnenjahr beginnt jeweils zum Zeitpunkt einer Bessel-Epoche. Die Jahreslänge entspricht ungefähr der des tropischen Jahres von etwa 365,2422 Tagen Länge. Die Bessel-Epoche dient in der Astronomie zur einheitlichen Angabe eines für alle Beobachtungsorte gleichzeitig eintretenden Zeitpunktes (der Epoche). Sie wurde 1984 von der Julianischen Epoche mit julianischen Jahren zu je 365,25 Tagen abgelöst.
  • Das Bessel-Verfahren (oder die Bessel-Methode) ist in der Optik eine Messvorschrift zur Bestimmung der Brennweite einer Linse. Die Brennweite ist der Abstand des Fokus zur Hauptebene dieser Linse.
  • Die Besselsche Interpolationsformel dient zur Berechnung äquidistanter Stützstellen. Mit ihrer Hilfe lassen sich Funktionen als Polynome n-ten Grades darstellen.
  • Bessel-Filter, ein Frequenzfilter.
  • Nach Bessel ist ein kleiner Mondeinschlagkrater in der Südhälfte des Mare Serenitatis benannt.
  • Bessel heißt ein Asteroid des Hauptgürtels, der 1938 von einem Finnen entdeckt wurde.
  • In Bessels Geburtsort Minden gibt es ein Bessel-Gymnasium.
  • Seit 2001 verleiht die Alexander-von-Humboldt-Stiftung den mit € 45.000,-- dotierten Friedrich-Wilhelm-Bessel-Forschungspreis.